Wolfgang Jeschke
Ohrenkneifer
Gesamtspielzeit: ca. 147 Minuten, Doppel-CD, 2 CDs, plus ca. 5-minütiges Making Of exklusiv nur auf CD-Version
Altersempfehlung ab 16 Jahren
VÖ: 13.09.2019
„Da sie am nächsten Tag eine anstrengende Fahrt vor sich hatten, versuchten sie abwechselnd Wache zu schieben und ein bisschen zu schlafen. Aber viel wurde nicht draus. Steve blickte in den nächtlichen Himmel. Es war ein fremdartiger, bedrohlicher Himmel. Der Himmel einer Welt, die noch nicht für den Menschen eingerichtet war. Ein Himmel, der noch die wirren Konstellationen einer unfertigen Schöpfung zeigte. Und doch überkam Steve allmählich das Gefühl für die Wirklichkeit dieser Welt. Für ihre sinnliche Substanz. Sie nahm Gestalt an. War nicht länger Vergangenheit sondern wurde zum Jetzt. Zur Gegenwart die sich atmen, schmecken und greifen ließ. Es war als öffne sich eine Pore am gewaltigen Leib der Zeit. Und als dringe er ein, wie eine Mikrobe, wurde aufgenommen, mitgerissen in Richtung Zukunft. Seine einstige Gegenwart lag wie eine ferne Galaxis durch Eonen von ihm getrennt.“
Rätselhafte Funde im Mittelmeerraum veranlassen die Amerikaner in den 1980er Jahren, das ehrgeizigste Projekt aller Zeiten in die Tat umzusetzen. Das „Chronotron“ soll amerikanische Soldaten über 5 Millionen Jahre in die Vergangenheit katapultieren, um dort den Arabern das Öl wegzupumpen und für die Gegenwart der 80er Jahre zu sichern. Doch die Soldaten müssen feststellen, dass nicht nur die Amerikaner auf diese Idee gekommen sind. Gestrandet in einer fremden Welt, müssen sie sich einer schrecklichen Wahrheit stellen.
Es bleibt kein Wunsch offen
Wow, was für ein Hörspiel! In dieser Produktion nach dem Roman von Wolfgang Jeschke stimmt einfach alles. Story, Sprecher, Umsetzung! Hier bleibt kein Hörspiel-Wunsch offen. Es ist in etwa genau so, wie es Gordon Piedesack, der hier überragend die Rolle des Erzählers innehat, an einer Stelle sagt: Dieses Hörspiel kann man quasi "atmen, schmecken und greifen", so sehr zieht es einen in den Bann.
Die perfekte Story
Großen Anteil daran hat sicherlich die Buchvorlage von Jeschke mit ihrer unglaublichen Geschichte, ihren detailliert ausgearbeiteten Akteuren sowie den meisterhaften und nahezu epischen Beschreibungen der Welt vor 5 Millionen Jahren, welche noch nicht dem menschlichen Handeln zum Opfer gefallen ist. Doch genau dies ändert sich mit der Ankunft der Soldaten. Tiere werden eingeschleppt, Gene ausgetauscht und auch für die Entstehung des Mittelmeeres sind bei Jeschke die Zeitreisenden verantwortlich.
So wird sehr schnell deutlich, dass diese Geschichte weit über das hinausgeht, was so grob als SiFi bezeichnet wird. Es geht um viel mehr als nur um Zeitreisen und die entsprechende Technologie. Hier geht es um das, was der Mensch mit seinem Handeln zu verantworten hat, dass selbst kleinste Abweichungen Auswirkungen haben können, und zum Beispiel Huckleberry Finn zum Bruder von Tom Sawyer wird.
Dabei besticht diese Produktion vor allem durch seine kraftvollen und atmosphärischen Szenen, durch bildgewaltige, nahezu epische Beschreibungen, die sofort das richtige Kopfkino entstehen lassen.
Den Erzähler perfekt besetzt
Wie schon kurz erwähnt, überzeugt „Der letzte Tag der Schöpfung“ sehr durch seine Sprecher. Gordon Piedesack mit seiner charismatischen, ruhigen Stimme führt als Erzähler durch das Geschehen und bringt dem Hörer immer wieder die Natur und das Leben in der weit entfernten Vergangenheit nahe. Selten haben Landschaftsbeschreibungen so viel Zauber oder Melancholie inne gehabt, wie es hier dank Piedesack der Fall ist. Marc Schülert, der auch für Regie, Schnitt und Sounddesign verantwortlich ist, spricht Steve Stanley, einen der Hauptakteure, und Urs Fabian Winiger gibt einen sehr authentischen Jerome Bannister. Zu erwähnen wäre außerdem noch Detlef Tams, der die Rolle vom Knirps Goodluck sehr intensiv verkörpert.
Soundkonzept
Neben der Sprecherriege greift natürlich auch das Soundkonzept. Hier ist jedes Details wohl platziert, jedes Geräusch durchdacht, jeder Choral, und sei er auch nur im Background zu hören, intensiv. Und auch die dezente musikalische Untermalung passt perfekt zur jeweiligen Szene oder den ergreifenden und bildhaften Schilderungen der Umgebung dieser Vorzeit.
Mein Fazit:
"Der letzte Tag der Schöpfung" ist ein akustisches episches Meisterwerk, in dem jede Szene perfekt und atmosphärisch inszeniert ist. Ein Hörspiel, das den Hörer mit großartigen Sprechern durchgehend in seinen Bann zieht und somit auf ganzer Linie begeistert.
Mareike Lümkemann
24. August 2019