Benedict Mirow:
Die Chroniken von Mistle End
Teil 1: Der Greif erwacht
empfohlen ab 10 Jahren
1 mp3-CD | ca. 6h 28 min
Erscheinungstermin: 21.08.2020
„Der Wintergreif war wieder da. Doch diesmal sah er Cedric nicht an sondern wandte ihm den Rücken zu. Er saß nicht, sondern thronte vielmehr am Ende des Daches und lies seinen Blick in die dunkle Ferne schweifen. Es hatte aufgehört zu schneien und der Greif war als heller Schatten mitten in der unberührten Schneedecke gut zu erkennen. Wie auch das letzte Mal hatte Cedric keine Angst. (…) Er nahm all seinen Mut zusammen: `Bist du ein Traum oder bist du Wirklichkeit?` – Der Greif legte den Kopf schief. `Worin liegt der Unterschied? Beides ist wirklich im Augenblick. Beides lebt in deiner Erinnerung weiter.` – `Im Traum kann man nicht sterben.` – `Oh, doch. Man kann. Immer und immer wieder.` Cedric wurde kalt."
Der 12-jährige Cedric zieht mit seinem Vater, der dort eine Anstellung als Lehrer bekommen hat, nach Mistle End. Er trifft auf die Geschwister Emily und Elliot, mit denen er sich auf Anhieb gut versteht. Doch die Freude darüber währt nicht lange, denn schon in der ersten Nacht in seinem neuen Zuhause plagen Cedric Albträume: Ihm erscheint ein magischer Greif, der Fragen nach Cedrics Herkunft stellt, die der Junge nicht beantworten kann. Als wäre das nicht schon gruselig genug, sieht Cedric am nächsten Tag bei einem Spaziergang eben jenen Greif überall im Dorf auf den Häusern und Wappen. Emily und Elliot weichen seinen Fragen aus, aber dann begegnet Cedric einem furchteinflößenden Werwolf. Emily und Elliot können Cedric vor dem Geheimnis von Mistle End nun nicht mehr länger beschützen…
Hervorragend investierte Zeit
Wer in diesen Tagen viel Zeit hat, dem möchte ich diese wundervolle Produktion vom DAV empfehlen. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Kinder-SciFi-Fantasy-Geschichte, für mich war sie aber viel, viel mehr als das. „Die Chroniken von Mistle End“ ist ein Hörspiel voller Magie, ganz, ganz wunderbarer Musik, toller und vor allem sehr charismatischer Stimmen und natürlich einer packenden Story.
Was ist ein Druide?
Mistle End handelt von dem Jungen Cedric, der gemeinsam mit seinem Vater in das scheinbar verschlafene Örtchen Mistle End zieht. Doch direkt am Bahnhof passieren schon die ersten merkwürdigen Dinge. Extrem viel Schnee, ein merkwürdiger Fahrdienst und Nachbarskinder, die ihn anscheinen veräppeln wollen – denn an Zauberei glaubt Cedric nicht. Mit Fabelwesen und Magie kann der Junge nicht viel anfangen, ihm reicht der Vater der ein starkes Faible für diesen Bereich hat… Doch dann passieren Dinge, vor denen auch Cedric nicht die Augen verschließen kann: Der Greif erwacht. Doch damit nicht genug, Cedric muss sich einer gefährlichen Prüfung stellen. Wird er diese bestehen und kann er seine Freunde vor dem Drachen retten? Und warum kann Cedric auf einmal mit Bäumen sprechen?
Eine rasante, stimmungsvolle und spannende Story
Fragen über Fragen, die während sechs Stunden intensivstem Hörspielgenuss geklärt werden. Das kann ich versprechen. Und ich kann vor allem versprechen, dass noch viel, viel mehr als das passiert, was ich angeteasert habe. Es gibt Intrigen, Tierkämpfe und Magierkämpfe, es gibt Gute und Böse –doch ist hier der erste Eindruck auch immer der richtige? Spannend geht es zu bei Mistle End. Eine rasante, stimmungsvolle und spannende Story ist die Grundlage dieser Produktion, die aus der Feder von Benedict Mirow stammt. Der 1974 in München geborene Ethnologe und Regisseur schreibt, dreht und produziert seit vielen Jahren Dokumentarfilme aus den Bereichen Kunst und Kultur und konnte mit seinen Filmen zahlreiche internationale Preise gewinnen. Nach Zeiten in Afrika und Wien lebt und arbeitet Benedict Mirow nun mit seiner Tochter und zwei Katzen in München und schreibt phantastische Romane für Kinder. Mistle End ist dafür das beste Beispiel, denn diese Geschichte ist im doppelten Sinne phantastisch. Fantasievoll und ergreifend – wer sich dieser Geschichte hingibt, der will mehr.
Wirklich perfekte Stimmen
Einen großen Anteil an der enormen Qualität dieses Hörspiels haben natürlich insbesondere die Sprecher. Cedric O´Connor wird wunderbar authentisch von Maxi Belle gesprochen, Maresa Sedlmeir und Malte Wetzel geben die Geschwister Golden und Valentin Mirow spricht Crutch. Wie ihre übrigen, auch namhaften, Sprecherkollegen gehen auch sie voll in ihren Rollen auf, wirken an wirklich keiner Stelle gekünstelt oder gestellt. Sie leben ihre Charaktere und das spürt man als Hörer. Ganz besonders erwähnen möchte ich aber dennoch Jona Mues, der uns als Erzähler durch Mistle End führt. Schon mit den ersten Klängen seiner Stimme wird man als Hörer nahezu in das Hörspiel eingesaugt, bleibt hängen, will nicht mehr aufhören zu lauschen. Mues gibt den perfekten Märchen-Onkel, auch wenn er vom Alter dieser Rolle sicherlich nicht gerecht wird. Dennoch schafft er es wie selten ein anderer Erzähler, den Hörer auch während seiner oft wirklich sehr langen Erzählpassagen, die mitunter mehr Hörbuch- als Hörspielcharakter haben, stets im Geschehen zu halten und einen nahezu zu fesseln. Diese Rolle ist definitiv perfekt besetzt.
Schottische Klänge
Als äußerst gelungen habe ich auch die musikalische Untermalung empfunden, die einen sofort das richtige Kopfkino liefert. Sehr stimmungsvolle Musik, schottische Klänge – das ist Mystik und Kopfkino pur. Wer hier nicht die schottische Highlands vor dem inneren Auge sieht, der hat nicht richtig hingehört. Lediglich das Winterfeeling wollte sich bei mir nicht immer einstellen. Bei mir war es überwiegend ehr „grün“, was jedoch meinen Hörspielgenuss keinesfalls geschmälert hat.
Mein Fazit:
Mistle End ist eine wunderbare Hörspiel-Produktion, die ich Jung wie Alt empfehlen kann. Die Altersempfehlung „ab 10“ muss vielleicht individuell betrachtet werden, da Spannung oder auch Erläuterungen vielleicht noch nicht für jeden 10-Jährigend geeignet sind. Am besten ist jedoch, gemeinsam zu hören. Denn diese Geschichte, die einen wahlweise an Braveheart oder Harry Potter erinnert und dennoch mit vielen modernen Elementen aufwartet, lässt auch uns Erwachsene nur schwer wieder los. Ich befürchte allerdings, dass diese Reihe ein ziemliches Suchtpotential haben wird….
Mareike Lümkemann
22. August 2020