Der Kinderfresser
Klaus Strenge
Lübbe Audio
Gesamtspielzeit: 3 Stunden und 22 Minuten
Altersempfehlung ab 8 Jahren
VÖ: 16.02.2017
„Für die Prüfung musst du 3.011 Ängste beherrschen. – 3.011 Ängste? Boa, ich wusste gar nicht, dass es überhaupt so viele verschiedene gibt… Welche denn zum Beispiel? – Also, Monster unterm Bett, Monster im Schrank, Flug-Monster, Zahnarzt-Monster, Spritzen-Monster, Dunkelheits-Monster, Unheimliche-Geräusche-Monster, Schatten-Monster, Trennungsangst-Monster, Allein-sein-Monster, Spinnen-Monster, Ich-bin-alles-schuld-Monster und dann noch die anderen 2.999.“
Fantasie kann man nie genug haben! Cilly hat Angst vor einem Monster unter ihrem Bett. Doch ihre Familie, allen voran Papa, will ihr den "Monsterquatsch" ausreden. Aber dann kriecht eines Nachts das Monster unter ihrem Bett hervor, schnappt sich die verängstige Cilly und fliegt mit ihr in die Nacht davon. Das Monster, der Kinderfresser, stellt sich schon bald als zwar rau wirkendes, tatsächlich aber äußerst hilfsbereites Wesen heraus. Ihm und seinen Freunden Blindenschweinchen und Frosch im Hals geht es einzig darum, Kinder von ihrer Angst zu befreien. Doch dieses Mal kommt es anders, denn der gemeingefährliche Hustenmacher entführt Cillys Vater aus der Menschenwelt. Und damit beginnt für die vier ein turbulentes Abenteuer, in dem nicht nur Cilly über ihren Schatten springen muss, damit die Geschichte gut ausgehen kann...
Extra für Kinder
Der Kinderfresser – ein Hörspiel für Kinder. Jau, genau! Trotz des Namens. Denn wie der aufmerksame Hörer schnell lernt; nur weil man Zimt heißt, mag man ja auch nicht automatisch Zimt. Und von daher muss jemand mit dem Namen „Kinderfresser“ folgerichtig auch nicht zwingend Kinder fressen. Klingt ja logisch.
Logisch hingegen sind (Kinder-)Ängste ja nicht immer. Und genau diesen Ängsten (zum Beispiel vor dem Monster unterm Bett) widmet sich dieses Hörspiel. Dabei ist „DER KINDERFRESSER“ aber ganz weit weg davon, ein reines Kinderhörspiel zu sein. Dieses Hörspiel ist viel, viel mehr. Es beginnt mitunter schon recht unheimlich, entwickelt sich dann aber zum einem Hörspiel-Erlebnis voller Fantasie und Magie, zu einem Hörspiel mit wunderbaren Gestalten, zu einem Hörspiel über Freundschaft und zu einem Hörspiel, das dank der imposanten und durchaus ausgefallenen Geräuschkulisse so richtig die Imagination anregen kann.
Phantastischer geht es kaum
Die Welt, in die einen der Kinderfresser entführt, ist einfach unglaublich. Es gibt fliegende Betten, blinde Pilotenschweine, einen sprechenden Frosch im Hals der noch keinen Namen hat, Akrobarden, die für noch nie gehörte Klänge verantwortlich sind, eine Hexe, die nie da ist, einen Hustenmacher und noch viele, viele mehr. Und mittendrin ist Cilly van Zimt, welche wunderbar von der jungen Noe Marie Vondey gesprochen wird. Und Noe macht hier echt einen super Job. Ihr nimmt man die Rolle von Cilly komplett ab, hier wirkt nichts abgelesen sondern alles authentisch. Cilly van Zimt hat Angst vor dem Monster unter ihrem Bett. Niemand glaubt ihr, vor allem nicht ihr Vater, der ebenfalls sehr realistisch von Christoph Maria Herbst gesprochen wird. Und so kommt es, das Cilly während eines hohen Fiebers in die phantastische Welt von Kobalat entführt wird…
Promis sind mit an Bord
Gelesen wird das Hörspiel von vielen namhaften Personen aus Show und Fernsehen. So führt Dietmar Bär als Erzähler durch das 3-Stunden-Epos und Jürgen von der Lippe, Bernhard Hoecker, Markus M. Profitlich oder Hella von Sinnen bereichern die Geschichte mit teils wunderbar verstellen Stimmen. So stehen ihre Stimmen nach wie vor für Qualität, aber ihre Rollen sind nicht „vorbelastet“. Man kann der Fantasie völlig freien Raum lassen, um eine entsprechende Person im Kopf-Kino zu kreieren. Der Kinderfreser wird übrigens unvergleichlich von Waldemar Kobus gesprochen. Eine Interpretation, die (noch) ihresgleichen sucht...
Kunstvoll inszeniert
Die phantastischen Elemente sind mitunter schon imposant inszeniert, das Hörspiel gleicht in seiner musikalischen und akustischen Aufmachung einem Kunstwerk. Einem Kunstwerk, auf das man sich auch einlassen können muss. Bombastische Blockbuster-Effekte, übertriebene Action oder sonstige Ausreißer findet man hier nicht. Auch die lange Spielzeit von über drei Stunden beweist, dass man den Kinderfresser nicht mal eben „so nebenbei“ hören kann. Erst recht nicht als Kind. Ich empfehle daher dieses Kinderhörspiel-Epos für die nächste lange Autofahrt. So kann man während des unheimlichen Anfangs dem Kind bei Bedarf zur Seite stehen und anschließend gemeinsam nach Kobalat aufbrechen.
Da sich sicherlich viele Erwachsene in den Rollen von Cillys Eltern wiedererkennen werden, schadet es auch nicht, sich einmal intensiv mit der kindlichen Perspektive auf die Monster unter dem Bett auseinander zu setzen. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, in der Welt von Kobalt gibt es auch für uns Große unglaublich viel zu entdecken und zu erleben…
Mein Fazit:
Klaus Strenge hat mit dem Kinderfresser ein unglaublich phantasievolles (Kunst-)Werk für Jung und Alt erschaffen. Ich bin mir sicher, dieses Hörerlebnis kann Kindern wie Eltern wunderbar helfen, einen neuen Blick auf die Monster unter dem Bett zu wagen.
Der Autor, der 2015 für den Stoff des Kinderfressers ein Stipendium der Film- und Medienstiftung NRW erhielt, steht übrigens für Lesungen (als Hörspiel-Lesungen zum Mitmachen) zur Verfügung.
Weitere Infos dazu unter www.der-kinderfresser.de
Mareike Lümkemann
29. März 2019