Gruselkabinett
151: Die Topharbraut von Hanns Heinz Ewers
Titania Medien
Gesamtspielzeit: ca. 77 Minuten
Altersempfehlung ab 14 Jahren
VÖ: 30.09.2019
„Fritz Beckers schien wirklich auf allen Gebieten sattelfest. Nur über sich selbst vermied er jedes Wort. Er war sogar ein wenig geheimnisvoll. Vor die Türe, die zu meinem Zimmer führte, hatte er einen schweren, persischen Teppich gehängt, der fast jedes Geräusch unhörbar machte, was von drinnen nach außen dringen konnte. Wenn er ausging, schloss er die Tür fest zu und die Wirtin durfte nur morgens früh hinein, um das Zimmer zu machen, während er in meinem Zimmer frühstückte. Wenn samstags groß Reinemachen angesagt war, blieb er dabei stets zugegen, setzte sich in einen Sessel und rauchte seine Pfeife, bis die Wirtin damit fertig war. Dabei war auch nicht das Geringste in seinem Zimmer, das irgendwie auffällig gewesen wäre. Freilich, hinten der kleine Raum. Der mochte alles Mögliche beherbergen. Auch diese Tür war mittlerweile mit schweren Vorhängen verhangen. Zusätzlich hatte er zwei starke Eisenstangen anbringen lassen, die mit amerikanischen Buchstabenschlössern abgeschlossen waren.“
Berlin 1913: Auf Wohnungssuche begegnet der Schriftsteller Dr. Gunther Lutzke dem unauffälligen Fritz Beckers, mit dem er sich fortan in eine Art Wohngemeinschaft begibt. Er ahnt nicht, dass der freundliche Mitbewohner hinter seiner Fassade etwas Grauenvolles verbirgt, das er sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können ...
Vorlage von Hanns Heinz Ewers
Die Topharbraut ist eine Geschichte des deutschen Autors Hanns Heinz Ewers (1871 -1943). Ewers hatte zu Lebzeiten den Ruf eines Enfant Terrible, galten seine Werke mit für die damalige Zeit doch teils äußerst drastischen Darstellungen oft als trivial, unmoralisch oder sogar pornographisch. Okkultismus und Spiritismus übten auf ihn gleichermaßen Faszination wie kritische Distanz aus. Eine Diskrepanz, die in dieser Geschichte durch die beiden Hauptprotagonisten meiner Meinung nach sehr deutlich wird. Auf der einen Seite der bodenständige und korrekte Schriftsteller Dr. Gunther Lutzke auf der anderen Seite der scheinbar normale aber doch mysteriöse Fritz Beckers, der seltsame Pakete erhält und seine Wohnung mit Hilfe von schwarzen Leinen vor ungewünschten Blicken abschottet.
Großartige Stimmen, großartige Besetzung
Gesprochen werden die beiden Hauptakteure wunderbar von Matthias Lühn (Lutzke) und Michael Pan (Beckers). Lühn nimmt man mit seiner sympathischen, jungen Art den Schriftsteller Lutze sofort ab und gönnt ihm von Herzen das Techtelmechtel mit der schönen Aenny. Diese wird von Claudia Urbschat-Mingues gesprochen. Mit ihrer markanten und zugleich sexy Stimme kommt wohl genau der Aspekt in das Hörspiel, dank dem Ewers seinen Ruf zu verdanken hat. Die sinnliche-einzigartige Stimme von Urbschat-Minuges sorgt an diesen Stellen dafür, dass sich die richtigen Bilder im Kopf entwickeln, wenn Lutzke von seiner Aenny auf dem Divan erzählt. Dass hier dennoch alles jugendfrei bleibt, versteht sich von selber. Auf der Gegenseite haben wir Michael Pan (übrigens den Vater von David Nathan), der mit seiner seriösen, älteren Stimme den perfekten Gegenpart zu den beiden jungen Liebenden bildet.
Ein alter Bekannter in Höchstform
Als Hörer ahnt man natürlich gleich, dass mit ihm etwas nicht stimmen kann. Der Hörgenuss leidet aber unter dieser Erkenntnis keinesfalls, denn bis zum Ende bleibt es ein großes Rätsel, was es mit Aennys Verschwinden auf sich hat. Bis dieses Rätsel jedoch gelöst wird, gibt es zu meiner persönlichen Freude wieder mal Horst Naumann zu hören. Diese große Stimme ist ja recht häufig bei Titania zu hören, da Naumann aber immer wieder in andere Rollen schlüpft und diese auch jedes Mal mit individuellem Leben füllt, ist es auch jedes Mal wieder eine Freue, ihm zu lauschen. Und ohne an dieser Stelle zu viele zu verraten, diese Rolle füllt er wahrlich perfekt aus.
Mein Fazit:
Die Topharbraut ist eine tolle Gruselkabinett-Folge, die besonders durch die perfekte Besetzung überzeugt.
Zudem sind Grusel und Ungewissheit unterschwellig stets allgegenwärtig, so dass man sich diesem überwiegend doch recht ruhigen Hörspiel kaum entziehen kann.
Mareike Lümkemann
12. Oktober 2019