Gruselkabinett
183 - Die andere Seite
Gesamtspielzeit: ca. 45 Minuten
Altersempfehlung ab 14 Jahren
VÖ: 28.04.2023
„Von meinen Schulkameraden mochte mich keiner. Sie spotteten über mich, weil ich sensibler war als sie. So wie ein seltener und schöner Vogel, der aus seinem Käfig entkommen ist, von den gewöhnlichen Spatzen zu Tode gehackt wird. So fühlte ich mich unter meinen Kameraden. Alle fragen sich recht unverhohlen, wie Mère Yvonne, meine Mutter, diese dralle und würdige Matrone, einen solchen Sohn mit diesen seltsam verträumten Augen hervorbringen konnte, der – wie man sagte – nicht so wie die anderen war.“
Klappentext
Frankreich, in der Bretagne, 1837: Was ist das Geheimnis des verbotenen Flussufers, dessen Bäume nie grüne Blätter tragen und das selbst am Mittag im Schatten liegt? Magisch angezogen von der Schönheit einer geheimnisvollen Blume traut sich der junge Gabriel, das Gewässer zu überqueren, und wagt sich in die dunklen Schatten, aus denen allabendlich die Wölfe heulen …
Wölfe und Blumen
„Die andere Seite“ ist die neueste Produktion aus dem Hause Titania Medien. Im Mittelpunkt steht der junge Gabriel, der nach dem Pflücken einer geheimnisvollen, blauen Blume nicht mehr der gottesfürchtige Junge ist, der er einmal war. Wölfe und eine junge, nackte Frau erscheinen ihm – in seinen Träumen? Was passiert mit dem sensiblen Jungen mit den verträumten Augen bloß?
Etwas Besonderes
Diese Folge der Gruselkabinett-Reihe ist für mein Empfinden wieder einmal etwas ganz Besonderes. Zum einen, da diese Folge eigentlich ganz untypisch anfängt. Während in vielen anderen Folgen die Geschehnisse oftmals an einem knisternden Kaminfeuer von männlichen Protagonisten eingeleitet werden, so sind es in dieser Folge doch die Damen, welche die unheimlichen Geschichten erzählen. Da diese dem Alkohol nicht absagen, erfährt die Hauptperson Gabriel umso eindrucksvoller von Wölfen und Opfergaben. Geschichten, die eigentlich gar nicht für Kinderohren geeignet sind…
Doch dies ist nicht die einzige Besonderheit. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Episode manch einem Gruselfreund zu ruhig ist und zu wenig Grusel und Gänsehaut bereithält. Da jedoch muss ich vehement widersprechen. Ich empfinde diese Folge als extrem stimmungsvoll, ja nahezu kunstvoll. Eben weil sie so ruhig, fast besinnlich-leise zu hören ist. Es handelt sich nun mal ganz klar um die Vertonung einer Geschichte aus dem 19. Jahrhundert. Damals waren Grusel und Mythen noch anders angesiedelt und auch die Erwartungshaltung war ein ganz andere. Man legte noch mehr Wert auf Poesie und Werte als auf Schockelemente, die sich möglichst nahtlos aneinanderreihen.
Das Kunststück dieser Produktion ist daher für mich, nicht nur einen stimmungsvollen Grusel zu transportieren, sondern auch das Gefühl der damaligen Zeit zu übermitteln. Und dies ist mit der Folge 183 wahrlich gelungen.
Für mich ist diese Folge nicht nur atmosphärisch ganz vorn angesiedelt, sondern auch fast schon kunstvoll dargeboten. Es entstehen die richtigen Bilder im Kopf, das Wasserrauschen und Plätschern des Baches wird fast schon subtil immer wieder eingebaut und auch die Sprecher-Riege agiert kunstvoll und absolut authentisch. Hier hat man wieder einmal das richtige Händchen für die Besetzungen gehabt.
Mein Fazit:
Mir gefällt diese sicherlich vergleichsweise ruhige Folge der Gruselkabinett-Reihe ausgesprochen gut. Die Stimmung ist authentisch und mystisch, die Sprecher agieren großartig und ich bin mir sicher, der Autor Eric Stenbock hätte diese Folge, wenn er im vorletzten Jahrhundert dazu die Möglichkeit gehabt hätte, nicht anders umgesetzt!
Mareike Lümkemann
06.05.2023