Gruselkabinett
158 Das innerste Licht
Titania Medien
Gesamtspielzeit: ca. 55 Minuten
Altersempfehlung ab 14 Jahren
VÖ: 27.03.2020
„Das Wetter hatte sich in denen wie im Fluge vergangenen Stunden nicht gebessert. Dyson rief sich eine Droschke, wohin gegen ich, zu Fuß gehen wollte. (…) Ich lebte damals nördlich der Oxford Street und mein Heimweg führte mich somit durch die Straßen Sohos. Es begann aus heiterem Himmel so heftig zu regnen, dass ich gezwungen war, mich unter zu stellen. Ich hatte dort bereits einige Zeit gestanden und gewartet, dass der Regen endlich nachlassen möge, als sich eine Frau und ein Mann aus einem Durchgang näherten. Der Mann war anscheinend stark angetrunken, die Frau kochte vor Wut. Ich war nicht undankbar für die willkommene Ablenkung und beobachtete die beiden, indem ich mich noch ein wenig mehr in dem Mauervorsprung verbarg.“
London, 1894: Was hat es mit dem Verschwinden der bildschönen Agnes Black auf sich, die angeblich Opfer eines Verbrechens wurde? Der Schriftsteller Dyson wittert eine spannende Geschichte und kommt einem teuflischen Seelenhandel auf die Spur …
Männer beim Geschichten-Erzählen
Ende des 20. Jahrhunderts treffen sich in den Straßen zwei alte, aber sehr ungleiche Bekannte wieder. Das muss selbstredend gefeiert werden und die Freunde verschlägt es in ein gemeinsames Lieblingsrestaurant. Schon bald schweifen die Erzählungen vom Üblichen ab und der Lebemann Charles Salisbury kann mit einer geheimnisvollen Geschichte aufwarten: Eer Geschichte vom Harlesden-Fall, in dem die Frau eines Arztes zunächst verschwunden und dann unter höchst mysteriösen Umständen verstorben ist ...
Geduld, Geduld...
Wunderbar! Wie so oft beim Gruselkabinett dürfen wir den Erzählungen zweier Herren lauschen, die sich „Geschichten“ erzählen. Stimmungsvoll wird hier die eigentliche Geschichte eingeführt, nach und nach nähert man sich ihrem Höhepunkt. Dabei ergeht es dem Hörer wie Mr. Dyson, man muss sich etwas in Geduld üben, denn Mr. Salisbury ist es nicht vergönnt, die Geschichte in eins zu erzählen.
Wie auch schon in der Originalerzählung von Arthur Machen aus dem Jahr 1926 kommen während des Hörspiels die unterschiedlichen Charaktere beider Hauptpersonen bestens zur Geltung. Auf der einen Seite der sorglose und sicherlich jüngere Salisbury. Auf der anderen Seite der sachlichere, aber allseits interessierte Dyson, der sich gerne dem Lösen von Rätseln hingibt.
Sie beide verbindet jetzt die geheimnisvolle Geschichte des Dr. Black und seiner wunderschönen, aber verstorbenen Frau. Black als Doktor sollte eigentlich ein Mann der Wissenschaft sein, trägt aber mit seinem Hang zum Okkulten die Verantwortung an dem, was mit seiner Frau geschehen ist und dies ist sicherlich nichts, was man einen Liebesbeweis nennen kann. Was genau er seiner Gemahlin antut, bleibt zu einem gewissen Teil der Phantasie des Hörers überlassen. Und das ist möglicher Weise auch gut so, denn an jedem Versuch mit menschlichen Gehirnen möchte man ja vielleicht gar nicht näher teilhaben.
Mehr Infos?
Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass mancher Hörer an dieser Stelle gerne mehr Details erfahren hätte. Aber ich denke, hier hat man sich, wie so oft bei Titania, sehr am Original orientiert. Und genau das macht auch die Folge 158 von Gruselkabinett aus. Diese Geschichte spielt mit der Neugier, mit dem verzweifelten Versuch des Menschen, alles zu erfahren, alles verstehen zu müssen. Und so geht es dem Hörer irgendwie genauso wie Dyson und somit auch irgendwie wie Dr. Black. Alle wollen verstehen, ihre Neugierde befriedigen und an immer mehr Informationen gelangen. Kurz, das Rätsel lösen.
Die Stimmen der Folge
In Sachen Sprecherriege scheint man bei Titania in diesem Jahr Gefallen an umfangreichen Casts gefunden zu haben, ist die Liste der Sprecher doch wieder recht umfangreich. Was mich sehr gefreut hat ist, dass in dieser Folge wieder ein paar „frische“ Stimmen zu hören sind. Stimmen, bei denen man auf Grund von vorherigen Besetzungen oder Synchronaktivitäten nicht gleich ein entsprechendes Bild im Kopf hat. So kann sich das Kino im Kopf überwiegend frei entfalten. Und sie alle von Claus Thull-Emden, Patrick Mölleken, Christoph Jablonka, bis hin zu Claudia Urbschat-Mingues, Tom Raczko oder auch Axel Lutter (um einfach mal einige zu nennen) machen wie immer einen super Job.
Geräusche sorgen für Atmosphäre
Ebenso super und stimmungsvoll inszeniert ist auch das Hörspiel an sich. Ich hatte ja schon kurz geschrieben, dass mit diese Erzählsituation der beiden Herren richtig gut gefällt. Wie gewohnt inszeniert man gerade diese Dialog-Szenen mit genau den richtigen Hintergrundgeräuschen und sorgt auch bei den Situationen auf „offener Straße“ ebenfalls mit der entsprechenden Geräuschkulisse für die richtige Atmosphäre bzw. Stimmung.
Mein Fazit:
Mir hat diese Folge vom Gruselkabinett sehr gut gefallen, fordert sie doch einiges an Phantasie vom Hörer ein. So mancher Hörer hätte wahrscheinlich noch mehr Grusel und Details gerne gehabt oder auch erwartet. Aber dies ist bei dieser Geschichte, in der ganz klar die Neugier im Vordergrund steht, schlichtweg nicht möglich. Und wie „Das innerste Licht“ ganz klar belegt: Alles zu erfahren, ist auch nicht immer gut.
Mareike Lümkemann
11. April 2020