Blaues Herz
Folge 1
Wolfy-Office
Gesamtspielzeit: ca. 80 Minuten
VÖ: 19.11.2021
„Von einer riesig scheinenden kalten Aula zu einem schon allein optisch warmen Büroraum. Auch das Büro ist altertümlich dekoriert. Allerdings gemütlich altertümlich. Auch hier sind Teppiche. Sowohl auf dem Boden als auch an den Wänden. Die Möbel sind beinahe antik. Ein großer gepolsterter Stuhl steht hinter einem noch größeren Schreibtisch. In der Ecke steht einer von diesen bewundernswerten Globen aus poliertem Holz. Ich frage mich, ob es einer von diesen Globen mit Inhalt ist. So ein Mini-Bar-Globus. Es gibt sogar eine Besucher-Couch, welche bestimmt vollständig belegt ist, wenn die Bewohnerinnen auf ihre Chance zu telefonieren warten. Das Büro ist sogar mit einem Kamin ausgestattet, in dem ein Feuer fröhlich vor sich hin knistert. Ja, hier kann man es aushalten.“
Hans Berg, ein pensionierter Kommissar, wird auf der Fahrt zu seiner Ehefrau von einer Lawine überrascht. Er kann sich in ein riesiges Anwesen in den Bergen retten, welches sich als Mädcheninternat mit dem Namen Waldblick entpuppt. Der pensionierte Kommissar findet in dem Internat Unterschlupf vor der Naturgewalt, doch leider trifft er dort auch auf etwas, was er hinter sich lassen wollte. Hans Berg hatte gehofft Verbrechen und Tod „zu den Akten zu legen“, wird jedoch auf eine andere Art mit seinem alten Beruf konfrontiert.
Aus der plumschen Feder
„Blaues Herz“ ist der erste Teil des Zweiteilers, in welchem Thomas Plum sein kommerzielles Regiedebüt als Regisseur gibt. Plum, der in der Hörspiel-Szene kein unbekanntes Blatt ist, ist auch Autor dieser Produktion und hat sein Können schon in diversen anderen Hörspielen unter Beweis stellen können. Mit „Blaus Herz“ hat er ein ganz besonderes Hörspiel erschaffen, dass uns Hörer mit in die winterliche Kälte des Jahres 1976 nimmt. In einem, auf Grund der Winterferien, nahezu verlassenen Mädchen-Internat sucht der pensionierte Kommissar Berg Zuflucht, nachdem sein Auto unter einer Lawine fast vollständig verschüttet wurde. Doch die Hoffnung auf schnelle Hilfe zerbricht, auch im Internat ist das Telefon auf Grund der Schneemassen ausgefallen. Doch damit nicht genug – als es im Internat zu einem Todesfall kommt, schlüpft der pensionierte Kriminologe wieder in seine alte Rolle…
Optimaler Stimmungsaufbau
Die Stimmung die uns Hörer beim blauen Herz erwartet ist einfach klasse. Das verschneite alte, aber riesige Anwesen, das Berg dem Hörer intensiv und ausführlich beschreibt, erinnert an das Overlook-Hotel und weckt somit gleich entsprechende Gefühle. Man ahnt, dass hier etwas passieren wird, was nicht nur die Neven des alten Kommissars strapazieren wird. Dass die Geschichte in einer Zeit spielt, in der es noch keine Handys gab und man in manchen Situationen den Geschehnissen schlicht weg ausgeliefert war, tut ihr übriges für den spannenden Hörgenuss. Dabei ist es bemerkenswert, dass die Story keinesfalls rast, sondern sich Zeit nimmt, Personen und Orte einzuführen.
Die Akteure
Die Besetzung von „Blaues Herz“ kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Hauptrolle von Berg, Hans Berg (welches übrigens James Bond-Fan ist) spricht niemand anderes als Ekkehardt Belle, welcher bereits für zahlreiche, erfolgreiche Filme als Synchronsprecher (Harry Potter, Der unglaubliche Hulk) im Studio stand und auch in der Hörspielbranche stark vertreten ist. Die Rolle des Kriminologen im Ruhestande spielt er vom ersten Augenblick an stark und authentisch und ich gehe sogar so weit zu behaupten, diese hätte besser fast nicht besetzt werden können. Seine Beschreibungen von Haus und Leuten bremsen das Geschehen keineswegs aus, sorgen stattdessen dafür, dass sich das Kopfkino in Bezug auf das Mädchen-Internat noch besser entfalten kann.
An seiner Seite agieren Sara Wegner (One Piece, Fraktal), Angelika Osusko (ANOMALIA, Doctor Who), Saskia Haisch (Midnight Tales, Pokemon) und Henrike Tönnes (Video-Integrator, 113) zu hören. In der Rolle des Hausmeisters hören Volkram Zschiesche, welcher uns ebenfalls schon in anderen Hörspielproduktionen begeistert hat.
Sound und Musik
Und wenn Story (spannend und durchdacht) und Sprecher schon großartig sind, dann ist es ja auch schon fast klar, dass auch Sound und Musik begeistern. Wenn ich jetzt erwähne, dass für beides ein gewisser Tom Steinbrecher verantwortlich ist, muss ich glaube ich keine weiteren Worte verlieren. Wie immer, wenn Tom seine Finger im Spiel hat, ist man auch in dieser Produktion mittendrin, der Hall stimmt, die Musik betont – dem Hörspiel-Genuss steht wahrlich nichts entgegen.
Ein kleines Kunststück vollbracht
Das Hörspiel aus dem Hause Wolfy-Office, deren Inhaber Kim Jens Witzenleiter übrigens den Sprachschnitt übernommen hat, erscheint auf Grund seiner winterlichen Thematik zur optimalen Jahreszeit und begeistert mit seiner ruhigen, aber spannenden Art von Anfang bis Ende. Apropos Anfang – diesen lohnt es sich mehrfach zu hören. Einerseits bestreitet Belle den Auftakt nahezu allein, andererseits hat man das Kunststück vollbracht, alle Beteiligten schon zu Wort kommen zu lassen. Wie das geht? Hört am besten selbst!
Mein Fazit:
Ein durchachtes Hörspiel mit einer großartigen Besetzung, vor allem in der Hauptrolle.
Mein einziger Wehmutstropfen – es ist ein Zweiteiler und wir müssen uns noch etwas gedulden, bis es voraussichtlich im Februar 2022 weiter gehen wird mit Hans Berg im Mädchen-Internat. Hoffentlich werden wir bis dahin nicht eingeschneit…
Mareike Lümkemann
14. November 2021