PUNKTOWN
Vol. 1 – Bibliothek der Leiden / Alles aus Liebe / Völlig vertiert
PHANTASTISCHE HÖRSPIELE LAUSCH
„Eine Neonröhre an der Decke flackerte heftig und auf dem fleckigen Teppichboden in der Mitte des Gangs kauerte eine Kreatur, die aussah wie eine mannsgroße Kröte, deren Inneres von einem bösartigen Kind nach außen gezerrt worden war, und blickte in Yus Richtung. Eine Art von Wachhund. Der Körper war eine durchschimmernde Blase, in der ein schwaches, bernsteinfarbenes Glühen zu sehen war. In diesem Glühen erkannt er dunkle Organe und sie pulsierten wie schattenhafte Föten. Die Gliedmaßen der Kreatur hingegen waren ziemlich solide und endeten in bedrohlichen skelettartigen Anhängen, die wie die Hände einer Leiche aussahen. Yu bezweifelte nicht, dass sich diese knochigen Finger ohne Probleme in den Körper eines Gegners graben konnten. Was den Kopf betraf, der war nicht mehr als eine Anemone. Ein Nest umherschlängelnder kanariengelber Fühler.“
Phantastisch und absonderlich
Mit der Vertonung der Kurzgeschichten des amerikanischen Science-Fiction-Horror-Kult-Autor Jeffrey Thomas (Jahrgang 1957) ist dem Hamburger Label Lausch ein neuer Clou gelungen. Thomas schreibt phantastische und zugleich absonderliche Geschichten über die Stadt PUNKTOWN, die eigentlich Paxton heißt und sich auf dem Planeten Oasis befindet. Ursprünglich wurde diese Stadt als menschliche Kolonie gegründet, inzwischen ist PUNKTOWN aber eher eine Monsterstadt, deren Einwohner nicht nur Menschen sondern auch Angehörige verschiedenster anderer Rassen sind. So kommt es, dass PUNKTOWN ebenso bizarr wie geheimnisumwobenen ist. Thomas’ Geschichten sind Zukunftsvisionen, poetisch und erschreckend, fremdartig und beängstigend und dennoch sehr menschlich und durchaus auch sozialkritisch – so manches seiner Themen lässt sich ohne Probleme auf unsere Welt und unser Zeitalter übertragen.
Vertonung von drei Kurzgeschichten
Lausch hat sich für die erste Veröffentlichung drei Kurzgeschichten des amerikanischen Autors herausgepickt:
Die „Bibliothek der Leiden“ handelt von einem Profiler mit einem implantierten Gedächtnischip, der an einem ganz besonderen Tatort ermittelt: Es geht um Leichen, die von der Decke hängen und deren Köpfe in einer merkwürdigen Flüssigkeit stecken, die sie so quasi festhält.
„Alles aus Liebe“ erzählt von einem Künstlerpaar am Rande des sozialen Abstieges, das sich entscheiden muss, ob es sich und seine Ideale verkaufen soll, um zu überleben und was die Alternativen wären, wenn sie sich treu blieben.
In „Völlig vertiert“ geht es geht um einen ganz speziellen Einsatz bei einem ungewöhnlichen Tierhändler. Eine Geschichte mit einem unerwarteten Ende, voll von grotesken und phantastischen Lebewesen.
Etwas Neues erschaffen
Merlau selbst wollte „mit PUNKTOWN etwas Neuartiges schaffen; ein „Hörstück“, das sich zwischen Lesung und Hörspiel bewegt – eine Form, die den literarischen, erzählerischen Aspekt einer Lesung mit den aufregenden, lebendigen Klängen und Farben des Hörspiels verbindet. Eine „erwachsene“ Form des Hörens!“ Diese perfekte Symbiose aus Hörbuch und Hörspiel ist gelungen und Merlau bietet dem Hörer einmal mehr ein Hörerlebnis auf ganz, ganz hohem Niveau. Dies ist auch gut so, denn nicht immer sind alle Storys aus PUNKTOWN ganz jugendfrei. Durch die Storys führen die Erzähler, die nur ab und an durch Einwürfe der verschiedenen Charaktere unterbrochen werden. Dialoge kommen in allen drei Hörspielen oder Lesungen kaum vor. Durch die permanente, ganz leichte musikalische Untermalung kombiniert mit den Inhalten der Geschichten wird eine unglaubliche Spannung aufgebaut, so dass das, was auf den ersten Blick vielleicht langweilig erscheint, das genaue Gegenteil davon ist. Sicherlich spielt auch hier wieder die Auswahl der Sprecher eine entscheidende Rolle. Wie immer bei seinen Publikationen hat Merlau hier das richtige Händchen bewiesen. So konnte er diesmal zum Beispiel die Synchron-Stimme von Leonardo Di Caprio, Gerrit Schmidt-Foß, für sein Projekt gewinnen und auch andere bekannte Stimmen aus Funk, Fernsehen und Hörspiel sind wieder mit dabei. Dank Ihnen wurden die kraftvollen Geschichten von Thomas perfekt umgesetzt.
Die Details stimmen alle
Und bei Lausch stimmen einfach alle Details. Auch das edle und sehr stabile Digipack ist ein Hingucker wert, dessen Illustrationen von Marc Robitzky sofort ins Auge fallen und schon eine teils leicht befremdliche Grundstimmung aufbauen. Die perfekte Ergänzung zum Kopfkino, das sich beim Hören sofort einstellt!
Mein Fazit:
Günter Merlau, der seit 2006 ganz gewaltig den deutschen Hörspielmarkt mit CAINE, DRIZZT und Co aufräumt, wird sich spätestens jetzt mit PUNTKTOWN, dieser einzigartigen und völlig neuen Art des „Hörspiels“, etabliert haben. Mit PUNTKTOWN ist ihm meiner Meinung nach eine Glanzleistung gelungen. Und auch wenn es mir als eingefleischtem CAINE-Fan schwer fällt: Mit dieser Serie wird er sogar meinen Lieblingsauftragskiller überholen.
31. März 2008